Druckstarkes von A(ntes) bis Z(ippel).

Grafik-Highlights der 60er- und 70er-Jahre

18. November 2023 bis 12. Mai 2024

Fritz Köthe, Rowenta, 1972, Offset-Lithographie, 34,9 × 30,3 cm. © Museum im Prediger Schwäbisch Gmünd, Foto: Frank Kleinbach.
Fritz Köthe, Rowenta, 1972, Offset-Lithographie, 34,9 × 30,3 cm. © Museum im Prediger Schwäbisch Gmünd, Foto: Frank Kleinbach.

Zur Ausstellung

Mondlandung und Woodstock, Vietnamkrieg und Studentenrevolte, Ölpreisschock und Wirtschaftskrise: Die 60er- und 70er-Jahre waren von Auf- und Umbruch geprägt, brachten eine Popularisierung wie auch eine Politisierung der Kultur. Die Lust an einem neuen Lebensgefühl und die politischen Spannungen der Epoche spiegeln sich auch in der Kunst, die eine grundlegende Neuausrichtung durchlebte: in der Pop-, Op- oder Minimal-Art, in ZERO, der Konzeptkunst oder im Neuen Realismus. Als Labor für formale wie inhaltliche Experimente erschloss die Druckgrafik Künstlerinnen und Künstlern neue Wege; zugleich erlebte sie als Medium eine Renaissance, um originale Werke einem breiteren Publikum zugänglich zu machen.

Die Ausstellung nimmt diese spannende Zeit in den Blick und zeigt dazu 50 druckgrafische Arbeiten. Sie stammen von namhaften und renommierten Künstlerpersönlichkeiten, darunter Horst Antes, Willi Baumeister, Joseph Beuys, Günter Fruhtrunk, Otto Herbert Hajek, Heinz Mack, Georg Karl Pfahler, Lothar Quinte, Klaus Staeck, Günther Uecker, Ben Willikens, Wolf Vostell und Eva Zippel. In fünf Kapitel gegliedert, beleuchtet die Schau die Themen Figuration und Abstraktion, Raumperspektive und Farbraum, Bewegung und Gestik, Politik und Umwelt sowie Intuition und Wirklichkeit. Die Ausstellung macht die Grafik der 60er- und 70er-Jahre in ihrer Vielfalt und Qualität anhand von fünf Kapiteln erfahrbar. Im Einzelnen geht um Figuration und Abstraktion, Raumperspektive und Farbraum, Bewegung und Gestik, Politik und Umwelt sowie Intuition und Wirklichkeit.

Die Arbeiten umfassen eine Auswahl aus einem Konvolut von 200 Blättern, die Rainer Reusch zusammengetragen und dem Museum im Prediger als Schenkung übergeben hat.

Eva Zippel, Ohne Titel, undatiert, Radierung, 2/2, rechts signiert: Eva Zippel. © Museum im Prediger Schwäbisch Gmünd, Foto: Frank Kleinbach.
Eva Zippel, Ohne Titel, undatiert, Radierung, 2/2, rechts signiert: Eva Zippel. © Museum im Prediger Schwäbisch Gmünd, Foto: Frank Kleinbach.

Figuration und Abstraktion
Im ersten Kapitel der Ausstellung wird deutlich, dass es in den 60er-Jahren – in der Abgrenzung zur Informellen Kunst – zu einer neuen und eigenständigen Blüte der Figuration kam.
Ein Pionier der figürlichen Wiederbelebung war Horst Antes, der durch die Kunstfigur des „Kopffüßlers“ berühmt wurde. Die Auseinandersetzungen mit der menschlichen Figur zeigt sich im Weitern in abstrahierenden Ansätzen, die das naturalistisch Abbildhafte nicht hinter sich lassen, so bei Manfred Henninger, und reicht bis zur fragmentarischen Deformierung der menschlichen Figur in Werken, welche die Frage nach der menschlichen Existenz verhandeln – zu sehen bei Roland Dörfler, Rudolf Hoflehner und Lambert Maria Wintersberger. Bei Wolfgang Oppermann sind deutlich die Einflüsse der Pop-Art erkennbar.

Eva Zippel, Ohne Titel, undatiert, Radierung, 2/2, rechts signiert: Eva Zippel. © Museum im Prediger Schwäbisch Gmünd, Foto: Frank Kleinbach.
Jürgen Klein, Ohne Titel, 1972, Siebdruck, 67/100, 60 × 50 cm. © Museum im Prediger Schwäbisch Gmünd, Foto: Frank Kleinbach.
Jürgen Klein, Ohne Titel, 1972, Siebdruck, 67/100, 60 × 50 cm. © Museum im Prediger Schwäbisch Gmünd, Foto: Frank Kleinbach.

Raumperspektive und Farbraum
Im zweiten Ausstellungskapitel ist abzulesen, wie in den 60er-Jahren im Gefolge der konstruktiv-konkreten Kunst, der geometrischen Abstraktion und der Op-Art der Raum in Bezug auf die Farbe Inhalt und Thema wird.

Dass allein Farbe und Form eine konkrete Ästhetik erzeugen können, ist vielfach ablesbar: Während Georg Karl Pfahler Form und Raum rein aus den Eigenschaften der verwendeten Farben formuliert, erzeugt Günter Fruhtrunk Raum durch farblich rhythmisierte Bänder. Bei Otto Herbert Hajek durchziehen „Farbwege“ raumbildend die Bildfläche. Eine fast meditative Kraft erzielt Lothar Quinte mittels der farblichen Auffächerung von Strahlenformationen, die den Raum durchdringen. Thomas Lenk hingegen stellt die Illusion unbegrenzten Raums durch Schichtungen her. Mit den Prinzipien der optischen Täuschung operiert Jürgen Klein, bei dem der Einfluss Victor Vasarelys spürbar ist. Ben Willikens schließlich lässt Raumwelten aus der subtilen Lichtregie der Tiefenperspektive entstehen.

Jürgen Klein, Ohne Titel, 1972, Siebdruck, 67/100, 60 × 50 cm. © Museum im Prediger Schwäbisch Gmünd, Foto: Frank Kleinbach.
Michael Buthe, Ohne Titel, 1970, Farbradierung, 133/150, rechts signiert: Buthe. © Museum im Prediger Schwäbisch Gmünd, Foto: Frank Kleinbach.
Michael Buthe, Ohne Titel, 1970, Farbradierung, 133/150, rechts signiert: Buthe. © Museum im Prediger Schwäbisch Gmünd, Foto: Frank Kleinbach.

Bewegungung und Gestik
Bewegung und Gestik ins Bild zu setzen, sind ein zentrales Thema der Kunst, das in der Nachkriegskunst neue Bildfindungen erfuhr, wie das dritte Ausstellungskapitel zeigt. Die bewegende Geste als Prozess gestalterischen Tuns artikuliert sich im dynamischen Duktus der Pinselbewegung bei Karl Otto Götz und K. R. H. Sonderborg. Michael Buthe erzeugt mit spiralförmig kreisenden, raumschaffenden Lineaturen Bewegung. Ein feines, bewegtes Licht- und Schattenspiel erzielt Günther Uecker mittels Prägedruck über Nägeln. Heinz Mack setzt das Licht als Bewegung gestaltendes Mittel ein. Oskar Holweck schließlich erzeugt mit Formwiederholungen Bewegung.

Michael Buthe, Ohne Titel, 1970, Farbradierung, 133/150, rechts signiert: Buthe. © Museum im Prediger Schwäbisch Gmünd, Foto: Frank Kleinbach.
Wolf Vostell, Olympia, 1972, Siebdruck, e. a., 49 × 69 cm. © VG Bild-Kunst, Bonn 2023. Foto: Frank Kleinbach
Wolf Vostell, Olympia, 1972, Siebdruck, e. a., 49 × 69 cm. © VG Bild-Kunst, Bonn 2023. Foto: Frank Kleinbach

Politik und Umwelt
In der Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus und neuen Gesellschaftsentwürfen entwickelte sich in den 60er- und 70er-Jahren zudem eine politische Kunst. Ihr widmet sich das vierte Kapitel der Ausstellung.
Mit seiner 1965 gegründeten Edition verfolgte der Verleger und Künstler Klaus Staeck das Ziel einer Demokratisierung der Kunst. Auflagenwerke sollten Kunstwerke einer breiten Öffentlichkeit zugänglich und erschwinglich machen. Dieser Demokratisierungsgedanke war ein Grund, warum sich in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts Künstler vermehrt für druckgrafische Techniken entschieden und fotografisch Vorlagen benutzten, etwa Bilder aus Zeitungen und dem Fernsehen. Sie alle griffen in ihren Bildthemen gesellschaftliche und politische Themen auf, setzten sich damit ironisch auseinander oder äußerten sich kritisch und bezogen Position. Vertreten sind Arbeiten von Joseph Beuys, Klaus Heider, Fritz Köthe, Siegfried Neuenhausen, Werner Nöfer, HA Schult, Peter Sorge, Klaus Staeck und Wolf Vostell.

Wolf Vostell, Olympia, 1972, Siebdruck, e. a., 49 × 69 cm. © VG Bild-Kunst, Bonn 2023. Foto: Frank Kleinbach
Fritz Genkinger, Bedrängte O, 1970, Farblithografie (blau, gelb, rot), signiert und datiert: Genkinger 70. © Museum im Prediger Schwäbisch Gmünd, Foto: Frank Kleinbach.Fritz Genkinger, Bedrängte O, 1970, Farblithografie (blau, gelb, rot), signiert und dat
Fritz Genkinger, Bedrängte O, 1970, Farblithografie (blau, gelb, rot), signiert und datiert: Genkinger 70. © Museum im Prediger Schwäbisch Gmünd, Foto: Frank Kleinbach.

Intuition und Wirklichkeit
Mit den Themen Intuition und Wirklichkeit befasst sich das fünfte Ausstellungskapitel. Trotz der nach 1945 vorherrschenden ungegenständlichen Kunst, sei sie geometrisch oder gestisch, führten auch Künstler das von Salvador Dalí, Max Ernst oder René Magritte geprägte Erbe des Surrealismus fort, um in unbewusste Realitätsebenen vorzudringen. Auf der einen Seite Bernard Schultze, dessen vom Informel beeinflusstes Werk figurative und surrealistische Züge aufweist und sich als verschlungenes Netzwerk aus Logik und Zufall, Intuition und Emotion darstellt. Auf der anderen Seite im Neosurrealismus Paul Wunderlichs, dessen Bildsprache aus Imagination und einer manieristisch wirkenden Figuration schöpft. Eine ebenfalls eigenwillige Position nimmt das Werk von Fritz Genkinger ein, das formale Reduktion, Konstruktion, Figuration und eine surreale Bedeutungswelt vereint.

Fritz Genkinger, Bedrängte O, 1970, Farblithografie (blau, gelb, rot), signiert und datiert: Genkinger 70. © Museum im Prediger Schwäbisch Gmünd, Foto: Frank Kleinbach.

Beteiligte Künstler

Horst Antes | Willi Baumeister | Bernd Berner | Joseph Beuys | Gerth Biese | Michael Buthe | Roland Dörfler | Günter Fruhtrunk | Johannes Geccelli | Fritz Genkinger | Karl Otto Götz | Otto Herbert Hajek | Klaus Heider | Manfred Henninger | Erwin Heerich | Rudolf Hoflehner | Oskar Holweck | Horst Egon Kalinowski | Jürgen Klein | Fritz Köthe | Kaspar Thomas Lenk | Heinz Mack | Lienhard von Monkiewitsch | Siegfried Neuenhausen | Werner Nöfer | Wolfgang Oppermann | Georg Karl Pfahler | Heinz-Günter Prager | Lothar Quinte | Karl-Dietrich Roth/Stefan Wewerka | HA Schult | Bernard Schultze | K. R. H. Sonderborg | Peter Sorge | Klaus Staeck | Hann Trier | Günther Uecker | Reinhard Voigt | Wolf Vostell | Ben Willikens | Lambert Maria Wintersberger | Paul Wunderlich | Eva Zippel

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