Jakob Wilhelm Fehrle.

Mädchen und Frauen

4. März – 19. Juni 2005

Ausstellungsansicht »Jakob Wilhelm Fehrle. Mädchen und Frauen«, Museum im Prediger Schwäbisch Gmünd 2005. © Museum im Prediger, Werke: Künstlernachlass, Foto: Joachim Haller.
Ausstellungsansicht »Jakob Wilhelm Fehrle. Mädchen und Frauen«, Museum im Prediger Schwäbisch Gmünd 2005. © Museum im Prediger, Werke: Künstlernachlass, Foto: Joachim Haller.

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Ausstellungsansicht »Jakob Wilhelm Fehrle. Mädchen und Frauen«, Museum im Prediger Schwäbisch Gmünd 2005. © Museum im Prediger, Werke: Künstlernachlass, Foto: Joachim Haller.
Ausstellungsansicht »Jakob Wilhelm Fehrle. Mädchen und Frauen«, Museum im Prediger Schwäbisch Gmünd 2005. © Museum im Prediger, Werke: Künstlernachlass, Foto: Joachim Haller.

Mädchen und Frauen – das waren die Hauptmotive im Werk des Gmünder Bildhauers, Malers und Zeichners Jakob Wilhelm Fehrle (1884–1974). Am weiblichen Aktmodell hat Fehrle in seinem beinahe 90 Jahre währenden Leben nahezu alle Kunstströmungen des 20. Jahrhunderts reflektiert: zunächst in der Zeichnung und Malerei, dann vor allem aber als vollplastisches Werk – ob in Gips und Ton modelliert, in Stein und Alabaster gehauen oder in Bronze gegossen. Der nackten weiblichen Figur gewann Fehrle vielgestaltige plastischen Möglichkeiten ab: Statik und Bewegung, Introvertiertheit und Belebung.

Unter dem Titel "Mädchen und Frauen" beleuchtet das Museum im Prediger zum ersten Mal die zentrale Bedeutung des weiblichen Aktes im Gesamtwerk des Künstlers, das sich durch seine weitgehend homogene Erscheinungsweise auszeichnet, und bis auf wenige Ausnahmen stets dem Figurativen verpflichtet ist. Dazu werden über 100 Arbeiten gezeigt, die alle Jahrzehnte in Fehrles Schaffen umfassen: neben Gemälden, Zeichnungen und Druckgrafik vor allem plastischen Arbeiten, die sich, für Fehrle typisch, durch eine formale Strenge auszeichnen.

Ausstellungsansicht »Jakob Wilhelm Fehrle. Mädchen und Frauen«, Museum im Prediger Schwäbisch Gmünd 2005. © Museum im Prediger, Werke: Künstlernachlass, Foto: Joachim Haller.
Jakob Wilhelm Fehrle (1884-1974), Sitzende, 1922, Zementguss, H 79 cm, Museum im Prediger, Schwäbisch Gmünd. © Museum im Prediger.
Jakob Wilhelm Fehrle (1884-1974), Sitzende, 1922, Zementguss, H 79 cm, Museum im Prediger, Schwäbisch Gmünd. © Museum im Prediger.

Blick auf lange Periode der Kunst- und Gesellschaftsgeschichte
Jakob Wilhelm Fehrle, der Zeitgenossen als „Meister sensibler Geistigkeit“ galt, hat in seinem langen Leben ein umfangreiches Werk geschaffen. Seine Arbeiten sind heute weit über Süddeutschland hinaus bekannt und geschätzt. Unzählig sind die Skulpturen und Figurengruppen, die er im privaten und öffentlichen Auftrag geschaffen hat – sei es für Gärten oder Plätze, für Brunnen oder Grabmäler. Somit bietet die Sicht auf Fehrles Werk nicht nur einen Blick auf eine lange Periode der Kunst- und Gesellschaftsgeschichte, die folgenreiche stilistische, ästhetische, politische und wirtschaftliche Umbruchsphasen aufweist: zu denken ist an Historismus und Jugendstil, Expressionismus und Kubismus, Kaiserreich, Weimarer Republik und zwei Weltkriege, an Nationalsozialismus und Nachkriegsdemokratie. Mit der Ausstellung wird darüber hinaus die Möglichkeit eröffnet, den jeweiligen gesellschaftlichen und künstlerischen Kontext herauszulesen, der sich in Fehrles Werk widerspiegelt, und die vielen Einflussfaktoren zu studieren, denen nicht nur Fehrle ausgesetzt gewesen ist.

Berlin – München – Rom – Paris: Suche nach dem persönlichen Stil
Jakob Wilhelm Fehrle wurde am 27.11.1884 in Schwäbisch Gmünd geboren. Schon früh stand für ihn fest, dass er Künstler werden wollte; zunächst absolvierter er jedoch eine solide Ausbildung als Ziseleur bei der Gmünder Metallwarenfabrik Erhard & Söhne. 1904 ging er an die Kunstakademie nach Berlin, wo ihn vor allem August Gaul als Schöpfer von Tierskulpturen am meisten zu beeindrucken vermochte und auch sein Interesse für die Großplastik geweckt hat. Im Jahr 1906 wechselte Fehrle an die Münchner Akademie und arbeitete in der Bildhauerklasse von Balthasar Schmitt. Auftragsarbeiten versetzten ihn 1909 finanziell in die Lage, seinen Aufenthalt für ein Jahr nach Rom zu verlegen. In der römischen Hauptstadt arbeitete der noch zwischen Malerei und Plastik schwankende Künstler selbständig im eigenen Atelier und spürte die übermächtige Tradition der römischen Antike und des Barock. Die Entdeckung von Figuren und Köpfen des Schweizer Bildhauers Hermann Haller wiesen Fehrle den Weg nach Paris, das ihm in den Jahren 1911 bis 1914 zur entscheidenden Stationen in seiner künstlerische Entwicklung werden sollte. Hier studierte er im „Weltmuseum Louvre“, wie er die damals bedeutendste Kunstsammlung nannte, und beschäftigte sich sehr intensiv mit der indischen Plastik; und in Paris lernte Fehrle nicht nur Künstler wie Karl Albiker, Georg Kolbe, Wilhelm Lehmbruck, Aristide Maillol, Pablo Picasso und Paul Klee kennen, sondern hier fand er im Stilpluralismus jener Zeit „mit offenen Sinnen für das Neue“ – so Fehrle rückblickend – zu einer eigenen Formensprache. Mit Ausbruch des Ersten Weltkrieges musste Fehrle Paris verlassen; seine kleinformatigen Bilder, zumeist „Badende“ frei nach Cézanne, konnte er mitnehmen; seine plastischen Werke hingegen gingen verloren. Von 1914 bis 1918 war Fehrle Soldat an der Westfront – und kämpfte ausgerechnet gegen sein einstiges Gastland. Die grausamen Kriegserlebnisse ernüchterten ihn und er reflektierte seine Pariser Jahre. In seiner Kunstauffassung bezog er Stellung gegen den Expressionismus.

Jakob Wilhelm Fehrle (1884-1974), Sitzende, 1922, Zementguss, H 79 cm, Museum im Prediger, Schwäbisch Gmünd. © Museum im Prediger.
Jakob Wilhelm Fehrle im Atelier, um 1940. Foto: Archiv Fehrle-Choms.
Jakob Wilhelm Fehrle im Atelier, um 1940. Foto: Archiv Fehrle-Choms.

Rückkehr nach Gmünd – Neuorientierung nach 1945
Nach Kriegsende kehrte Fehrle wieder nach Schwäbisch Gmünd zurück. Inzwischen hatte er sich für die Bildhauerei entschieden und er etablierte sich. In Anlehnung an Maillol und Lehmbruck entstanden eine ganze Reihe von Plastiken. 1921 schuf er mit einer „Madonna“ und 1922 mit der Verkündigungsgruppe, die sich heute im Museum im Prediger befindet, ganz ungewöhnliche schlanke und bewegte Bildwerke, deren Stil Fehrle selbst als „barocke Gotik“ beschrieb. Von 1927 bis 1929 unterrichtete Fehrle an der Höheren Fachschule in Schwäbisch Gmünd, wo er 1928 zum Professor ernannt wurde.

Repräsentativen Auftragsarbeiten, die er in den Jahren 1934 bis 1945 für das Deutsche Reich ausführte, stehen für das monumentale Werk des reifen Fehrle. Nach 1945 war Fehrle bemüht, an die entstehende Nachkriegsmoderne anzuknüpfen. Er folgte dem künstlerischen Credo der Abstraktion und führte neben zahlreichen figürlichen Einzelplastiken eine Vielzahl von Skulpturen und Aufträgen für den öffentlichen Raum aus. Anlässlich seines 70. Geburtstages 1954 wurde Fehrle das Bundesverdienstkreuz verliehen. 1963 fertigte er das Porträt des ehemaligen Bundespräsidenten Theodor Heuss. Zwei Jahre vor seinem Tod am 4. Februar 1974 realisierte er seinen letzten Auftrag: eine abstrakte Skulptur für den Gmünder Stadtteil Bargau.

Jakob Wilhelm Fehrle im Atelier, um 1940. Foto: Archiv Fehrle-Choms.

Katalog

Zur Ausstellung ist ein Katalog im Einhorn-Verlag eschienen (72 Seiten, 21 Euro).

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