Shavua tov. Eine gute Woche!

Jüdische Türme aus Schwäbisch Gmünd

18. Oktober 2001 – 20. Januar 2002
Gesamtansicht: acht Bsamim-Türme, Schwäbisch Gmünd 1. Hälfte 18. Jahrhundert, Silber, Silberfiligran, Email, Glassteine. v.l.n.r.: Mainfränkisches Museum Würzburg, The Jewish Museum New York, The Mosaiske Troessamfund Kopenhagen, Musée d’art et d’histoire
Gesamtansicht: acht Bsamim-Türme, Schwäbisch Gmünd 1. Hälfte 18. Jahrhundert, Silber, Silberfiligran, Email, Glassteine. v.l.n.r.: Mainfränkisches Museum Würzburg, The Jewish Museum New York, The Mosaiske Troessamfund Kopenhagen, Musée d’art et d’histoire du Judaïsme Paris, Jüdisches Museum Frankfurt/Main, Sammlung Familie Gross Tel Aviv, The Jewish Museum London. Foto: Markus Hofele.

Nur eine Handvoll gibt es von ihnen noch, und Sie befinden sich heute im Besitz von Museen und Sammlungen in New York, London, Paris, Kopenhagen, Würzburg, Tel Aviv, Jerusalem und Frankfurt a.M. – die aufwendigsten und schmuckreichsten Gewürz- (hebräisch Bsamim-) türme aus Silberfiligran, entstanden im frühen 18. Jahrhundert in Schwäbisch Gmünd: erstmalig sind nun alle acht noch erhaltenen und bekannten Bsamim-Türme in einer Ausstellung in der Stadt ihrer einstigen Entstehung vereint. Dies war in der Ausstellung „Shavua Tov! –Eine gute Woche! Jüdische Türme aus Schwäbisch Gmünd“ im Museum im Prediger zu sehen ist.

In einer architektonischen Turmform hergestellt, aus dünnen Draht gebogen und gelötet, besetzt mit gefassten farbigen Glassteinen und bemalten Emailplättchen, die biblische Geschichten darstellen, bilden diese kunstvollen, rund 30 cm hohen Bsamimtürme die monumentalste Form der Gmünder Filigran-Produktion überhaupt. Dass in Schwäbisch Gmünd auch Bsamimtürme hergestellt wurden, war bis vor knapp zwei Jahren völlig unbekannt; entdeckt und erforscht hat sie unser Kooperationspartner William L. Gross aus Tel Aviv, der seit mehr als 35 Jahren jüdische Kulturgüter sammelt.

Eingesetzt wurden diese Bsamimtürme am Ende des Schabbat: Um den Heiligen Schabbat von der profanen Woche abzusondern, gibt es eine religiöse Zeremonie, die im Hebräischen Hawdala („Unterscheidung“, „Trennung“) heisst. Nach dem Weinsegen und dem Entzünden und wieder Löschen einer geflochtenen Kerze (Hawdala-Kerze) wird ein Behälter mit wohlriechenden Gewürzen (hierzu zählen vor allem Nelken, Zimt, Myrrhe und Weihrauch)  bzw. Bsamim herumgereicht, die Ruhe und Frieden des Schabbat in der Form des Wohlgeruchs in Erinnerung rufen und so eine „gute Woche“ einleiten sollen. Im Laufe der Jahrhunderte entwickelten sich diese Behälter, je nach Gegend und Reichtum der Besitzer, zu großer Formenvielfalt.

Die Ausstellung verband die Gmünder Silberwarentradition mit herausragenden Exponaten aus den Beständen an Judaika. Gewerbegeschichte und kultisches Gerät verschmelzen in der Gmünder Produktion und legen dar, dass die Stadt der Gold- und Silberschmiede stets auch eine Produktionsstätte jüdischen Kulturgutes war. Anhand von rund 200 ausgewählten Beispielen treten dabei u. a. auch die formale Nähe zur Gmünder Turmarchitektur sowie zu christlich-katholischem Gerät ins Blickfeld.

Dass von den außerordentlich fragilen, über fast drei Jahrhunderte wöchentlich benutzten und dabei stets von Zerstörung gefährdeten Filigrantürmen überhaupt acht Exemplare haben „überleben“ können, grenzt an ein Wunder und ist für das Museum Schwäbisch Gmünd ein wahrer Glücksfall, erfordern die Bsamimtürme von ihren Benutzern doch besondere Sensibilität und Achtsamkeit. Heute, wo sie als Museumsobjekte neben ihrer Bedeutung für Handwerk und Nutzung auch zum Symbol für das Leid und die Verfolgung der Juden geworden sind, gilt dies um ein Vielfaches mehr.

Die Ausstellung stand unter der persönlichen Schirmherrschaft des Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, Paul Spiegel.

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